Zur Geschichte der Leuenberger Wappen

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Stephleuen
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Zur Geschichte der Leuenberger Wappen

Beitrag von Stephleuen » Mi 9. Feb 2011, 13:07

Zur Geschichte der Leuenberger- Wappen
Auszug aus dem Manuskript zur Geschichte der Familie Leuenberger von Leimiswil

Autor: Stephan Leuenberger

Einleitung

Grundlegendes zur Heraldik, der Lehre der Wappenkunde und über dessen Entstehung möchte ich an dieser Stelle nicht weiter erläutern. Darüber existiert genügend Fachliteratur die ausführlich und eindrücklich darüber Auskunft gibt. Vielmehr soll an dieser Stelle ein angemessener Raum geschaffen sein, um der Bedeutung, dem Sinn und Zweck der bereits bestehenden Leuenbergerwappen, Aufmerksamkeit entgegen zu bringen. Die aufgeführten und besprochenen Wappen sind nur einzelne Beispiele – weit mehr können es sein – die mir bekannt sind. Die Auswahl, die hier besprochen wird, erfüllt das Kriterium, dass sie historisch nachweisbar sind, einer bestimmten Person zugeordnet werden können oder eindeutige Neuschaffungen sind. Wappen die aus einschlägigen Internettseiten stammen, jegliche Art von Nachweisbarkeit fehlen, werden hier nicht berücksichtigt.
Wappen waren ursprüngliche Erkennungszeichen der in Helm, Kettenhemd und Rüstung bis zur Unkenntlichkeit gekleideten Ritter. Auf dem Schild aufbemalt waren es einfache Zeichen und Formen in primärfarben und sekundärfarben gehalten. Primärfarben und Sekundärfarben sind die reinsten Farben und sie haben die Gemeinsamkeit der grössten Leuchtkraft und bilden die stärksten Farbkontraste. Diese Farben sind weder mit Schwarz getrübt noch mit Weiß aufgehellt. Die Kontraste können hell – dunkel, bunt, kalt – warm, bunt – unbunt (schwarz oder weiß im Kontrast zu einer Buntfarbe) sein. Aus diesen Zeichen entwickelten sich schließlich Wappen die für eine und dieselbe Familie verbindlich wurde und an diesem man erkennen konnte zu welcher Familie der Träger gehörte. Familienwappen sind also Zeichen einer bestimmten Gesellschaftsschicht, Standes, des frühen bis ausklingenden Mittelalters. Für den Adel, die Ritterschaft und dessen Dienstleute, Edelleute, Ministerialen waren der Besitz und das Führen eines Familienwappens Pflicht. Für das gemeine Land- und Stadtvolk galt hingegen keine Wappenpflicht. Das gemeine Volk wurde bei kriegerischen Handlungen als Fußvolk in ganzen Verbänden zusammengezogen. Ihre Kleidung war im Krieg von einfacher Gestalt. Ihre Waffen, Hallbarden und Langspiese bedurften zur Handhabung beide Hände und ließen keinen Schild zu. Im Allgemeinen rückten diese Leute unter dem Fähnli ihres Landesherrn in den Krieg aus. Erst später nähten sich die eidgenössischen Auszüger zur besseren Erkennung ein weißes Kreuz auf die Kleidung am Rücken. Wappen sind auf den Kleidungsstücken von Landleuten bei militärischen Ereignissen nie zu sehen.
Im Gegensatz zu den an die Schweiz angrenzenden Staaten, hat der Adel in der Schweiz das 21. Jahrhundert nicht erlebt. Man könnte fast davon ausgehen, dass mit der Gründung Berns 1191 das Ende des Adels in unseren Landen eingeläutet wurde, zumindest am Horizont des Firmamentes angekündigt. Spätestens aber mit der Einsetzung der Staatsverfassung der Republik Bern, im Jahre 1833 und der Bundesverfassung der schweizerischen Eidgenossenschaft, im Jahre 1850 wurde dem Adel eine endgültige Absage erteilt. Waren im 14. Jahrhundert noch ansehnliche adelige Familien in der Schweiz anzutreffen, so haben sich diese im 16. Jahrhundert gänzlich aus unserem Land in die benachbarten Länder zurückgezogen oder sind mit den aufstrebenden Städten in Burgrechtsverträge eingegangen. Mit diesem Rückzug ging auch eine gelebte und verbindliche Wappentradition und Wappenbrauch verloren, das heißt er wurde nicht mehr unter so strengen und geregelten Voraussetzungen weiter gelebt. Eine Pflicht zur Wappenführung des aufstrebenden Stadtbürger- und Stadtburgertum und das sich daraus entwickelnde Patriziat, gab es im eigentlichen Sinne nicht. Der gemeine Mann, gleichgültig ob arm oder reich, besaß in der Regel kein Wappen, geschweige denn ein Siegel. Wappendarstellungen zu dekorativen Zwecken waren damals noch nicht in Mode. Die unten aufgeführten Leuenbergerwappen sind Wappen die zum Teil als Siegel verwendet wurden, von Schliffscheiben stammen, als Sackstempel benutzt wurden, an Kirchenfenstern in Form von farbigen Glasscheiben bestehen oder Wappen die eine reine dekorative Aufgabe über Türeingängen oder Hausfassaden erfüllen.

Bäuerliche Amtssiegel

Nicht aus bloßer Freude am Wappen, gab es dennoch auf dem Lande einzelne Männer die berechtigt waren ein Siegel zu führen, sondern vielmehr aus der Verpflichtung gewisser Ämter heraus. Im Oberland waren es die Landesvenner und Stadthalter und in unseren Breiten waren es Gerichtssässe und Gemeindeammänner die ein Siegel hatten. Mit dem Siegel wurde das Aktenstück, Urkunden aller Art, Verträge wie Liegenschaftserwerb und Verkauf, Gültbriefe usw. bestätigt und bekräftigt. Dem entsprach in etwa der heutigen Stempelmarke. Der einfache Landmann war beim Kauf oder Verkauf eines Grundstückes oder eines Waldstückes auf das Siegel des Landvogtes oder eines Gerichtssässen angewiesen. Diese meist einer gehobenen Gesellschaftsschicht der Landbevölkerung angehörend, durften für das Insiegel eine Siegelgebühr den Parteien verrechnen. In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts bereicherten sich diese ländliche Horatioren durch ungerechtfertigte und übersetzte Tarife und Zinsen. Kurz und bündig wurde auf dem Lande wie in der Stadt mit diesen Tarifen und Zinsen auf Gültbriefen Wucher im großen Stil betrieben. Am 23. Februar 1530 erließ nun der bernische Große Rat eine Verordnung die diesem Wucher entgegentreten soll. Kurzerhand beschränkte der Große Rat das Recht zur Verwendung des Siegels zur Rechtskräftigmachung von Urkunden auf seine Mitglieder. Darin eingeschlossen waren die Mitglieder des kleinen Rates und der Regierung so wie die Landvögte auf dem Lande. Ausgeschlossen von diesem Recht wurden dagegen die ländlichen Honoratioren. Diese Verordnung verstimmte natürlich die Landleute. Die Oberländer hatten sich beschwert. Unter Berücksichtigung, dass auf den Gemeindeammännern, Gerichtssässen, Landesvennern und Stadthalter eine gewisse Repräsentation lastete die mit erheblichen Ausgaben verbunden war, ist es durchaus verständlich, dass diese wenigstens einen Teil ihrer Ausgaben mit diesen Siegelgebühren wieder kompensieren konnten.

Der Große Rat reagierte auf diese Einwendungen und hob das seinen Mitgliedern zugesprochene Siegelmonopol wieder auf und erlässt am 10. April 1530 das Siegelmandat. Dieses Mandat ist der älteste uns bekannte aktenkundige Nachweis zur Wappenführung auf dem Lande. Der Beschluss lautete; diejenigen Amtsleute auf dem Lande die bereits ein Siegel besitzen, dürfen damit weiterhin gegen Vergütung Gültbriefe, Kaufbriefe und Verträge und Urkunden aller Art rechtskräftig machen. Neue Siegel dürfen aber nur noch mit der Erlaubnis der Obrigkeit hergestellt werden. Dabei ging es bloß um das Siegel als solches nicht um den Inhalt oder die Darstellung des Siegelwappens. Missbräuche und ungerechtfertigt hohe Siegelgebühren wurden mit dem Verlust des Siegels geahndet. Nach dem Hinschied eines Siegelinhabers, wurde das Siegel von der Staatskanzlei eingezogen. Dies geschah offenbar um Missbräuchen vorzubeugen. Aufbewahrt wurden die eingezogenen Siegel in einem der sicheren Gewölbe der Staatskanzlei, in Schachteln, bis sie nach 5 – 10 – 20 und mehr Jahren wieder herausgegeben wurden. Während den Jahren 1554 – 1694 führte die Staatskanzlei über die eingezogenen Siegel akribisch genau Buch – das sogenannte Insiegelbuch, heute im Staatsarchiv des Kantons Bern. Die Herausgabe dieser Siegel erfolgte in der Regel auf Bitte der Erben, aber immer erst nach genauer Prüfung der Umstände. In der Regel wurden die Siegel zerschlagen herausgegeben. Auf diese Weise wurde wiederum dem Risiko des Missbrauchs vorgebeugt und den Erben verblieb immerhin der Metallwert des Siegels; Siegel waren aus Silber.

Ältestes Siegel dieser sogenannten Bauernsiegel welches von einem Namensträger verwendet wurde stammt aus dem Jahre 1409 und gehörte einem Hans Löwenberg, Burger von Burgdorf. Hans Löwenberg hält sich mit seinem Siegel noch streng an die Vorbilder des 14. Jh. Es zeigt in einem Spitzschild in gotischer Umrahmung einen aus einem Dreiberg wachsenden Löwen. (Abb.6) Von diesem Siegel ist nicht bekannt ob es von einem weiteren Namensträger verwendet worden wäre. Das nun eine Wappentradition beruhend auf diesem Wappenmotiv später wieder aufgenommen wurde, ist weiter nicht verwunderlich; handelt es sich bei diesem Wappenmotiv um ein redendes Wappen, das heißt Wappenmotiv und Familienname des Trägers sind aufeinenander abgestimmt worden. Fortan aber ist der Löwe als Wappentier, mit wenigen Ausnahmen, in unseren Familienwappen geblieben, in der Form als wachsender Löwe oder als aufrecht schreitender Löwe.
Die Ausnahme sind die Wappen des Jakob Leuenberger auf der Hofuren zu Huttwil von 1770 (Abb.15), Capar Leüenberger zu Affoltern von 1758 (Abb.16), Jakob Leuenberger zu Wiggisberg von 1756 (Abb.17) und des Caspars Leuenberger zu Hofbühren in Huttwil von 1770 (Abb.18). Diese Wappen haben eine Pflugschar im Wappenmotiv.

Das Wappen als Dekoratives Element

Das nun folgende Jahrhundert hat aussert der Schildform keine Änderungen in der Siegel- und Wappentradition gebracht. Das Siegelmandat von 1530 fand weiterhin seine Anwendung. Im 17. Jahrhundert verlor allerdings das Siegelamandat mehr und mehr an Bedeutung. Allerdings kam allmählich das Wappen als dekoratives Element auf.

Aus dem Jahre 1606 ist uns ein Becher aus Huttwil erhalten geblieben. Damals wurde es Mode, dass die einzelnen Mitglieder eines Gerichtes, also die Gerichtssässe, einen Becher stifteten, die mit einem Wappen versehen sind. Uli Leuenberger von Huttwil stiftete auch einen Becher und ließ ihn mit einem Wappen dekorieren, dessen Wappenmotiv ein aufrecht schreitender Löwe darstellt. Zu diesem Wappen ist uns leider keine Farbgestaltung bekannt.

Siegelringe

Zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges befand sich der Bauernstand auf einem wirtschaftlichen Höhepunkt und konnte sich Sachen leisten die vorher nicht möglich waren. Söldner brachten von ihren Reisen in die Fremde Gewürze, Pflanzen und vor allem Luxusgüter wie edle Seidenstoffe mit nach Hause. Zu einem weit verbreiteten Modeartikel wurde der Siegelring der mit einem Wappenmotiv geschmückt war (nicht zu verwechseln mit unseren heutigen Wappen¬ringen). Nicht nur Gerichtssässe, Gemeinde¬ammänner, Weibel und Mitglieder der Vierer besaßen solche Ringe, sondern auch einfache Landleute. Zum Führen eines Siegelringes war eine obrigkeitliche Bewilligung nicht nötig. Aber auch die Anschaffung eines Amtssiegels war zur freien Sache geworden.

Bei den Siegelringen waren die Wappenmotive in ein Oval oder ein längliches Achteck gesetzt, zusammen mit den Initialen des Wappen¬führ¬enden. Das Siegel des Friedrich Leuenberger-Wälchli (Abb.1), Gerichtssäss in Madiswil und Chorrichter in Rohrbach, Dragoner und Müller im Lindenholz, kann in diese Kategorie von Wappen eingeordnet werden. Das Wappenmotiv, ein aufrecht schreit¬ender Löwe mit einem halben Mühlrad in den Pranken haltend wird durch die Initialen FLB überhöht. Die uns heute bekannte Farbgestaltung; goldener Löwe auf blauem Grund mit silbernem Mühlrad in den Pranken haltend wurde vom Staatsarchiv des Kantons Bern in ihrer Beispielsammlung so vorgeschlagen (Abb.8). Das Siegel des Friedrich Leuenberger-Wälchli ist uns in zwei Dokumenten erhalten geblieben. Zum einen in einem Gnadengesuch von 1765 und zum Andern in einem Kaufvertrag von 1729.

Friedrich Leuenberger-Wälchli verstarb im Jahre 1740. Sein Siegelring ging an seinen Sohn Friedrich Leuenberger-Schneeberger der damit im Jahre 1765 siegelte. Dieses Siegel ist das einzige welches in unserer Familie zur Rechtsbekräftigung verwendet wurde und zugleich vom Vater auf den Sohn erblich übertragen wurde.
Solche Siegelringe wurden auf den Märkten, auch in Huttwil, Langenthal und Langnau angeboten. Der Käufer war dabei völlig frei in der Wahl des Wappenmotives. Selbstverständlich war auch hier der Preiss der mithalf zu entscheiden. Dabei behalfen sich die Anbieter mit Musterbüchern.

Farbige Glasscheiben

Das Brauchtum des Schenkens von Fenstern ist so alt wie die verglasten Fenster selbst und war nicht nur typisch schweizerisch. Vorwiegend auf das Gebiet der Stände der Eidgenossenschaft, war der Brauch zusammen mit den Fenstern, farbige Wappenscheiben zu stiften. Dieser Brauch reicht in das 15. Jh. zurück. Vermutlich ist er von schweizerischen Reisläufern im letzten Viertel des 15. Jh. zu uns gebracht worden. Das gegenseitige Beschenken mit farbigen Wappenscheiben hat dermaßen überhandgenommen, dass sich der Rat in Zürich über zu hohe Kosten beklagte und 1501 stellt der Rat in Bern Taxen für gemalte Fenster auf. Ursprünglich aus dem mittelalterlichen Kirchenfenster hervorgegangen, eroberte sich die farbige Glasscheibe allmählich weite Kreise; Stände, Gemeinden und Gerichte, Städte, Klöster und Zünfte. Schließlich auch die Bürger der Städte schenkten sich gegenseitig Fenster mit farbigen Wappenscheiben. Im 16. Jahrhundert fand der Brauch auch unter der Landbevölkerung Einzug. Glanzzeit dieser Wappenscheiben war das 16. und 17. Jahrhundert. Aber schon im 17. Jahrhundert setzte der künstlerische Zerfall ein. An Stelle der der ursprünglich aus farbigen Gläsern zusammengesetzten Glasmosaikscheibe trat immer häufiger die farbige Malerei auf Glas Einzug.

Im Jahre 1515 wurde die Kirche Ursenbach neu gebaut. Die Ursenbacher hatten die Absicht ihre Kirche mit farbigen Glasfenstern auszurüsten. Für Ursenbach wohl eine zu große Investition um diese alleine und ohne fremde Hilfe zu bewältigen. Die Ursenbacher gelangten nun an die gnädigen Herrn in Bern mit der Bitte man möge ihnen einen Bettelbrief ausstellen. Das war ein Freipass für eine Bettelreise in der ganzen Eidgenossenschaft. Immerhin konnten 16 der 17 farbigen Glasscheiben mit Hilfe von Ständen, Kirchenleute und Privatpersonen aus Ursenbach für die Kirche gefertigt werden. Von diesen Scheiben sind heute in der Kirche Ursenbach noch 14 erhalten. Die privaten Donatoren haben sich mit ihren farbigen Wappenscheiben verewigen lassen. Unter diesen findet sich das Wappen des S.H. Leuenberger; auf schwarzem Grund und grünem Dreiberg zwei aufrecht stehende sich gegenseitig anschauende goldene Löwen mit einem silbernen Mühlrad in den Pranken haltend (Abb. 20). Das zweite Wappen des J.J. Leuenberger; ein auf grünen Dreiberg und schwarzem Grund ein aufrecht schreitender goldener Löwe (Abb.19). Das dritte Wappen von J. Leuenberger; auf schwarzem Grund und grünem Dreiberg ein aufrecht schreitender goldener Löwe mit einem silbernen Gerbeisen in den Pranken haltend (Abb.21). Im Gegensatz zu den üblichen Leuenbergerwappen – goldener Löwe auf blauem oder rotem Grund – sind die Ursenbacher Leuenbergerwappen gekennzeichnet mit schwarzem Grund und goldenem Löwe.

Die Schliffscheibe

Im 18. Jahrhundert und in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts hat die Berner Landbevölkerung in der handwerklich- künstlerischen Gestaltung ihrer Bauten und Gebrauchsgegenständen einen Reichtum entwickelt, der nie mehr erreicht wurde. Günstige Umstände beeinflussen diesen Höhepunkt ländlicher Kultur. Während fast des ganzen 18. Jahrhunderts konnte sich der Berner Bauer an einer wirtschaftlichen Entwicklung, die durch keinen Krieg gestört wurde, erfreuen. Der Loskauf von alten Zinsverpflichtungen, die Aufgabe der Dreifelderwirtschaft, verbesserte Arbeitsmethoden, vermehrten den Ertrag bäuerlicher Arbeit. Größere Viehbestände, reichere Ernten verlangten zweckdienlichere Häuser und Speicher, die durch ihre Schnitzereien und Bemalung vom Reichtum und Wohlstand des Besitzers zeugten. In Kleidung, Hausrat und der ganzen Lebensweise erlaubte sich manche Familie einen Aufwand, der uns heute noch in Erstaunen versetzt.

Die Handwerker wurden vor Aufgaben gestellt die über das rein Zweckmäßige herausragten und diese mit künstlerischem Geschick lösten. Die bernische Bauernkunst hat die Gefahr überwunden eine Kopie städtischen Kulturgutes zu werden. Andererseits sind gerade in der Stadt Bern an den Häusern mancherlei ländliche Einflüsse zu beobachten. Dem Handwerker des Bernermittellandes ist die Farbenprächtige und Formenreiche Gestaltung der barocken Schwülstigkeit fremd. Er arbeitet gemäßigter und schlichter mit Farben und Formen, man möchte fast sagen vornehmer. Wie schlicht und einfach wirken die barocken Bauten auf dem Lande wie in der Stadt Bern und doch haben sie etwas Erhabenes, Elegantes und edles an ihrer Ausstrahlung.

Die stattlichen Höfe des Mittellandes waren mit Fenstern bestückt die aus lauter kleinen und runden in Blei gefassten Butzenscheibenscheibchen, aus schlechtem irisierenden Glas bestanden, wurden nun durch neue und größere verdrängt. Viele Fenster, vor allem Häuser wohlhabender Bauern und Gasthöfe hatten bald runde oder ovale, bald rechteckige Scheiben, die mit geschliffenen oder mit Diamant eingravierte Widmungen, Sprüche, einer ganzen Fülle von Verzierungen und Wappen geschmückt waren. Es sind die Schliffscheiben, im Besonderen die Wappenscheiben, über die wir hier nun sprechen möchten. Über den künstlerischen Wert dieser Schliffscheiben wollen wir uns hier keine Überlegungen machen. Überlassen wir doch dies den Kunsthistorikern und erfreuen uns an derer Schönheit.

Ihrer Technik nach sind die Ursprünge der Schliffscheiben sicher nicht in der Schweiz zu suchen. Bereits im 17. Jahrhundert finden sich in Deutschland solche Scheiben – Nürnbergergläser – und später vor allem in Böhmen und Schlesien hoch entwickelt. Man nimmt an, dass sie durch wandernde böhmische Glasschleifer zu uns gekommen und dann von Schweizer Handwerkern übernommen wurden. Der Brauch des gegenseitigen Beschenkens mit Schliffscheiben war auch in Böhmen und Schlesien der Brauch. Das Gebiet in dem nun die Schliffscheiben eine sonst nirgends erreichte Entwicklung stattfand, war der heutige Kanton Bern. Wie kaum anderswo erlangte der Bauernstand im 18. Jahrhundert eine wirtschaftliche Blüte und hier fand diese wohlfeile Technik einen fruchtbaren Boden für den Aufschwung eines Handwerkes und einer neuen Sitte. Im bernischen Mittelland, im Besonderen im Oberaargau und Emmental, erreichte die Schliffscheibe ihre volle Beliebtheit. Speziell zu erwähnen, dass besonders Langenthal und Umgebung so wie das Unteremmental sich die Schliffscheiben einer überaus großen Beliebtheit erfreute.

Um ein Verständnis zu diesem Zweig bernischer Volkskunst zu erhalten, müssen wir uns die Tatsache vor Augen führen, dass die Schliffscheibe von deren Besitzern, deren Fenster sie schmücken, nicht selber erworben wurden, sondern sie stellen Geschenke dar, die Freunde, Gönner und Verwandte, manchmal auch Behörden, dem Besitzer eines Hauses zusammen mit einem Fenster überreicht hatten. Diese Tatsache geht aus den Widmungen auf den Schliffscheiben hervor. Die Stifter der Scheiben waren allen Ständen und Berufsarten angehörig. Zu Beginn waren es hauptsächlich die regierenden Familien wie Schultheisse, Landvögte und Venner, die diesen Brauch einführten. Schon bald aber übernahmen ihn wohlhabende Bauern, Küher, Handwerker, Wirte und Wirtinnen, Chirurgen, Pfarrer und Notare usw. Beschenkt wurden Verwandte und Freunde, der Dienstherr und der Pächter usw., unter ihnen namentlich Wirte. Wenn aber immer wieder Weinhändler und Müller als Stifter von Wirtshausfenstern erscheinen, handelt es sich dabei um eine Form der Empfehlung, eine Art von Reklame.
Am häufigsten verbreitet sind die Wappenscheiben auf denen das Wappen des Stifters oder die Wappen der Stifter in einer Kartusche eingeschliffen sind. Dabei sind in der Regel die Namen der Stifter und die Jahrzahl der Stiftung eingeschliffen.
Ebenso weitverbreitet sind die Dragonerscheiben, auf welchen ein Soldat mit gezogenem Säbel reitet oder in wildem Galopp eine Pistole abfeuert. Diese Scheiben zeugen von der Verbundenheit der Berner Bauern zur Bernischen Milizarmee. Auch auf diesen Scheiben sind der Name des Stifters und der seiner Frau angegeben und sein militärischer Grad und Rang.

Im Historischen Museum in Bern befindet sich eine Schliffscheibe, eine sogenannte Dragoner¬scheibe, welche aus meiner Sicht von herausragender Qualität in Bezug auf Dar-stellung, Gestaltung und künstlerischer Arbeit, in einer handwerklich qualitativ hervor¬ra-gender Arbeit, die Samuel Leüenberger und Maria Buchmüller 1769 dem Wirt Johannes Bösiger zu Melchnau stifteten (Abb.2). Samuel Leüenberger war Mattenbauer in Lotzwil und Müller und Gutsbesitzer der Mühle Lindenholz. Wie Sein Vater war er Dragonerleutnant in der Benermiliz. Die Scheibe ist im Rokokostil gestaltet. Merkmale dazu sind die beiden Rocaille in den oberen Ecken links und rechts. Ebenfalls die beiden Blüten und Blattgirlanden sind in typischer Rokokomanier gestaltet – Barock wäre schwülstiger und massiger.
Auf dieser Scheibe ist im unteren Viertel das Wappen des Samuel Leüenberger in einem ovalen Medaillon, umrahmt von einer Rocaille geschliffen. Das Wappenmotiv stellt ein auf einem Dreiberg aufrecht schreitender Löwe dar. Die Farbangabe fehlt. Das Wappenmotiv wurde später von der Familie Leuenberger im Stammhaus auf der Mühle im Oberlindenholz wieder aufgenommen und in die Farben, auf rotem Grund, ein auf grünem Dreiberg aufrecht schreitender goldener Löwe (Abb.9). Ich vermute, dass die Farbgestaltung zu Beginn der 50er- Jahre im 20. Jahrhundert durch Theodor von Lerber vorge¬nommen wurde. Es ist aber auch möglich, dass dieses Wappen im 19. Jahrhundert als Sackstempel diente. Wo nahm man aber die Wappen her welche die Scheiben zierten? Die in den Schliffscheiben vorkommenden Wappen sind fast immer andere als ältere und zu früheren Zeiten in der Familie verwendete Wappen.

In den allermeisten Fällen verließ sich der Auftraggeber auf den Rat und den Erfindungs-geist des Handwerkers oder Glasschleifers. Allzu oft kommt allerdings die Erkenntnis zum Ausdruck, dass es sich bei diesen Wappen um eine heitere Spielerei handle. Davon zeugen die vielen redenden Wappen, wie z. B. Löwe auf Dreiberg für Leuenberger. Ein gutes Beispiel dazu ist die Wappenscheibe, welche von den Chorrichtern 1806 des Chorgerichtes Ursenbach gestiftet wurde (Abb.3). Johannes Leüenberger Chorrichter zu Ursenbach ließ sein Wappen darin einschleifen. Ein über einem Dreiberg aufrecht schreitender Löwe.
Die Tendenz ging dahin gleichnamige eines Dorfes oder der näheren Umgebung klar und deutlich zu trennen und zu unterscheiden. Als sicher kann angenommen werden, dass innerhalb einer Familie keine Absprachen stattfanden, ein und dasselbe Wappen für die ganze Familie zu führen.

In Stein gemeisselt über Eingängen zu Haus und Stall


Unter Einfluss der Ökologischen Gesellschaft Berns wandelte sich im 18. Jahrhundert die Landwirtschaft von der Dreizelgenordnug in die Dreifelderwirtschaft. Neue Erkenntnisse über das Pflanzenwachstum und die Lehre der Bodenzusammensetzung und Bodengestaltung, verbesserte Getreidesorten, das Aufkommen der Kartoffel, eine neue Viehzucht, die Anwendung von Dünger und bewusstes Wässern in Wässermatten, verlangten neu und zweckdienende Ökonomiegebäude in der Landwirtschaft. Grösser Ställe und grössere Heustöcke waren erforderlich.

Im Jahre 1772 ließ Friedrich Leuenberger-Schneeberger das alte, halb zerfallene Bauernhaus im Unterlindenholz abreißen und errichtet an deren Stelle einen neuen Stall und darüber einen Heustock der für die nächsten 200 Jahre einer der größten weit und breit war. In diesem Heustock ließ sich so viel Heu einlagern das in einem Winterhalbjahr von den Kühen nicht verbraucht werden konnte. Das Gebäude ist aus Bruchstein und Sandstein gemauert. Über den Eingängen in die Keller ließ er zum Einen, einen Segen einmeißeln und über dem Andern, ein Hauszeichen (Abb.4); eine Linde auf einem halbierten Mühlrad stehend, wird links und rechts gehalten von zwei aufrecht stehenden Löwen. Eine ganze Reihe von Symbolen, Löwe, Wasserrad und Linde bilden eine Assoziation zwischen Erbauer, beruflicher Tätigkeit und Standort, haben aber mit einem Familienwappen im eigentlichen Sinne nichts gemein. Ähnliche Zeichen, die reinen Dekoration dienen, finden wir Zeitgleich in der Region. So auch am Sandsteintürstock des Friedrich Leuenberger, Gerichtssäss, am Rain in Ursenbach aus dem Jahre 1751 (Abb.5). Auch hier finden sich wiederum Löwe, Wasserrad und Mühleisen oder Gerbeisen, Symbole die wiederum eine Assoziation des Erbauers zu seiner beruflichen Tätigkeit als Gerber bilden. Auch dieses Zeichen hat mit einem Familienwappen nichts gemein. Es dient nur einem dekorativen Zweck.

In neuster Zeit ließ die Familie Leuenberger im Unterlindenholz ihrem Vater, Walter Leuenberger-Sägesser, eine Wappenscheibe anfertigen (Abb.12). Als Vorlage diente das Motiv über dem Kellereingang am alten Bauernhaus im Unterlindenholz. Das Wappen wurde in den Farben rot – Gold gestaltet. Dieses Wappen darf somit als eine Neuschöpfung betrachtet werden. Anstelle dieses Motives hätte man auf die bestehende Wappendarstellung (ebenfalls eine Neuschöpfung von ca. 1844) des Jakob Leuenberger-Hotz (Abb.11), Bürger von Leimiswil und Burgdorf, zurückgreifen können.

Sackstempel

Eine weitere Form bäuerlicher Heraldik, die wiederum so eigenwillig im 18. Jahrhundert seinen Bestand hatte, waren die Sackstempel auf den Mühlisäcken. Damit nun die Müller wussten wem welche Säcke mit dem darin enthaltenen Mahlgut gehörte und jeweils jedem Besitzer das richtige Mahlgut wieder zurück brachten, wurden die Säcke gekennzeichnet. Lerch und Christen vermuten, dass diese Säcke zuerst mit einem Hauszeichen, eine Art Brandzeichen wie beim Vieh, versehen wurden. Im 18. Jahrhundert machten es die Bauern den städtischen Grundbesitzern gleichsam und kennzeichneten ihre Säcke mit einem Wappen. Bei diesen Wappen fehlen aber oft die Schildform oder eine Kartusche wie wir sie von den Schliffscheiben her kennen. Hergestellt wurden diese Zeichen von sogenannten Sackstempelschneidern. Ob es sich dabei um einen Beruf handelt der es vermochte eine Familie über längere Zeit zu ernähren wage ich zu bezweifeln. Eher würde ich meinen sei davon auszugehen, dass dieser Erwerbszweig höchstens als willkommener Nebenerwerb oder Zusatzverdienst ausgeübt wurde.

Die Säcke gleichnamiger Eigentümer mussten sich unterscheiden um Verwechslungen auszuschließen. Daher sind die Sackstempel wie die Schliffscheiben einer gewissen schillernden Willkürlichkeit ausgesetzt. Diese Stempel wurden nicht nach historischen Gegebenheiten einer Familie oder eines Besitzers hergestellt, sondern nach Geschmack, Gutdünken und Kreativität eines Sackstempelschneiders. Allein einen Unterschied mit Farb-, Formgebung und Wappenmotiv zu erreichen, stoßt bald einmal in den Möglichkeiten der Kombinationen an seine Grenzen. So ist es nicht verwunderlich, dass im oberen Langetental der Löwe, mit oder ohne Dreiberg, für Leuenberger, Leu, Lanz usw. gleichermaßen verwendet werden. Nun muss ich Christen und Lerch entgegenhalten, dass gerade in dieser Region die Mühlen Langenthal, Lotzwil, Lindenholz und Madiswil, Ursenbach und Öschenbach, Rohrbach und Huttwil, allesamt bernische Bannmühlen waren, denen einen ganz bestimmter Mühlenbann zur Kehrfahrt zugesprochen war. Die Möglichkeiten zu Verwechslungen waren daher, wenn nicht auszuschließen, weniger groß.

Nun taucht das Wappen des Samuels Leuenberger, zeitlebens Mattenbauer in Lotzwil, farbig auf einem Sack im Stammhaus, der Mühle Oberlindenholz auf (Abb.9). Was nun zuerst und nach welchem Vorbild geschaffen wurde entzieht sich meiner Kenntnis. Allerdings weiß ich auch nicht ob es sich bei dem Sackstempel um ein Original handelt oder ob dies eine Art Wappendarstellung auf einem Mehlsack aus unserer Zeit handelt. Mühlisäcke aus der Mühle Lindenholz sind hingegen wohlbekannt, diese sind mit aufgedruckter Schrift „Ulrich Leuenberger, Mühle Oberlindenholz“ bezeichnet und stammen aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

Im Jahre 1798 marschiert Napoleon mit seinen Truppen von Westen her in die Schweiz ein und zerschlägt innert wenigen Tagen die Macht Berns als größten Stadtstaates nördlich der Alpen. Auf einen Schlag erlebt ein Landvolk gleichermaßen wie die Regierung, auf dem kulturellen Höhepunkt seines Daseins, eine demütige Niederlage, wie keine andere schmerzvoller überwunden werden musste. Auf dem Lande wurde von französischen Soldaten geplündert und gebrandschatzt. Dass dabei vieles verloren ging und zerstört wurde braucht keine besondere Erklärung. Die Siegelringe waren längst aus der Mode und vergessen. Gesiegelt wurde nur noch auf dem Oberamt oder von der Gemeinde. Die Tradition von Schliffscheiben wurde abrupt gebrochen.

Neben den Schliffscheiben und farbigen Wappenscheiben, in Kirchen, öffentlichen Kommunalbaumten und Wappen auf Mühlisäcken, finden wir nun Wappen als Fassadenmalerei an Häusern, auf Feuereimern, Möbelstücken und Kachelmalerei an Öfen usw. auf. Dies alles historisch nicht begründet beruht auf der reinen Willkür, Geschmack, kreativer Vorstellungskraft der Besitzer und künstlerischem Können der Handwerker. In Wangenried befindet sich an der Hausfassade der Familie Peter Leuenberger ein Wappen aus dem Jahre 1862 (Abb.23); auf blauem Grund und grünem Dreiberg ein goldener, aufrecht schreitender Löwe mit einer weißen Blume in den Pranken haltend.

Im Jahre 1844 erwirbt Jakob Leuenberger-Hotz, Gutsbesitzer im Unterlindenholz, Bürger von Leimiswil das Doppelbürgerrecht von Burgdorf für sich, seine Kinder und Nachkommen. Zu diesem Zweck ließ er ein Familienwappen anfertigen. Es zeigt auf blauem Grund, über einem schwarzen Dreiberg ein halbes silbernes Mühlrad, überhöht mit einem schreitenden goldenen Löwen mit einem silbernen Mühleisen in den Pranken haltend Abb.11).
Um 1850 galt jemand der ein Wappen führte als „rücksichtslos, Reaktionär, Aristokrat und Jesuit“. In der Folge kamen die Wappen aus der Mode und gerieten in Vergessenheit.

Aus alt wird neu – aber anders

Um die Jahre 1918/20 erwachte die Wappentradition in der Schweiz aus ihrem Dornröschenschlaf. Allerdings ist es auch hier so wie in anderen Sachen auch die nach längerer Zeit zum Wiedererwecken gelangen; meist auf wesentlich anderen Grundlagen. Hatten die Wappen vor ihrem Verschwinden einen wesentlich persönlichen Charakter gehabt, ich meine damit sie sind an bestimmte Personen gebunden gewesen, so spricht man heute von Familienwappen und meint damit die Auffassung, dass für jede Familie oder zumindest für jede bessere Familie, was dies auch immer heißen mag und bedeuten soll, von alters her, man meint damit seit dem Ursprung einer Familie, ein ganz bestimmtes Wappen bestehe, verbindlichen Charakter für die gesamte Familie habe, amtlich verliehen wurde oder zumindest anerkannt und auf dem Weg der wissenschaftlichen Forschung festgestellt werden könne.

Wer jedoch diese Auffassung teilt, stützt diese auf ungenügende Kenntnisse und Unwissen. Wie wir gesehen haben, liegt ein Familienwappen, das für eine und dieselbe Familie verwendet wurde und nach allen Gesetzen und Regeln der Heraldik gestaltet ist, dem Wesen des bernischen Landvolkes fern. Der Glaube an das Herkömmliche, dem Beteiligten vielleicht unbekannte aber doch bestehende Wappen, ist erst in neuerer Zeit von eigennütziger und kommerzieller Seite dem bernischen Volke verabreicht worden. Einen modernen Wappentrend in neuerer Zeit, geht auf die Nachkriegszeit des ersten Weltkrieges zurück: Überwiegend Reichsdeutsche, denen die Weimarerrepublik ein unabträglicher Boden geworden war, betätigten sich in der Schweiz mit gewerbsmäßiger Heraldik. Heute sind es vor allem Schweizer die sich gewerbsmäßig mit Heraldik beschäftigen. Neben Künstlern mit gutem Ruf und Name und engagierten Kunstgewerblern, wird auch sehr viel Schrott von dilettantischen Pseudoheraldikern betrieben. Dass dabei von den letztgenannten aus kommerziellen Überlegungen sehr viele Auswüchse betrieben werden, kann in einem bestimmten Sinne durchaus nachvollzogen werden. Die Wappentradition beruht weder zu früheren Zeiten, einmal abgesehen von den amtlichen Siegeln einzelnen Personen auf dem Lande, noch heute auf gesetzlich geschützten Regeln. Mutierte sich das Wappen von einem gesetzlich geschützten Siegel im ausklingenden Mittelalter, in der Neuzeit zu einem Wappen und einer reinen Privatsache, die sich höchstens auf die gesetzliche Bestimmung des geistigen Eigentums berufen kann, so sind die Verhältnisse in der Gegenwart nicht anders.
Auswüchse äußern sich auf drei Gebieten, A) historisch, B) symbolisch und C) künstlerisch:

A) Die meisten Wappenbesteller äußern den Wunsch, zusammen mit dem Wappen auch das wesentliche aus der Geschichte der Familie zu erfahren. Ein edler Wunsch dem im Grunde genommen nichts im Wege steht, solange die Recherchen seriös und kompetent vorgenommen werden. Einige Heraldiker liefern daher zusammen mit ihren Wappendarstellungen sogenannte Wappenurkunden, Wappenbeschriebe oder sogar ganze Chroniken mit. Derartige Zugaben sind in den allermeisten Fällen historisch nicht begründete Phantastereien und können auch kaum etwas anderes sein: Denn die Ausarbeitung einer wissenschaftlich einwandfreien Familiengeschichte erfordert viel Zeit, Geduld, eingehendes Quellenstudium, vielfältiger und breit abgefederte Hintergrundkenntnisse und Fähigkeiten. In vielen Fällen sind Quellen eher spärlich und sehr lückenhaft. Im Besonderen treten die ersten fassbaren Vertreter eines Geschlechts, Familie aus dem Dunkel an die Öffentlichkeit. Ihre Herkunft und genauen Lebensdaten sind, außer vielleicht einem Heiratsdatum, kaum zuverlässig und einwandfrei nachweisbar. Jahrzahlen als Wappenbeigabe, mit einem Hinweis auf die Gründung einer Familie oder der Entstehung des Wappens sind Phantasien. Heißt es in der Wappenblasonierung es sei ein Siegel von 1406, meint der Seriöse Heraldiker, dass dieses Siegel um diese Zeit verwendet wurde. Es kann älter sein, muss aber nicht. Meint aber der Historiker zu einer Schliffscheibe von 1769, bedeutet dies, dass diese in diesem Jahr geschenkt wurde. Ob das Wappen, das für diese Scheibe auch aus diesem Jahr stammt, ist eine Frage die separat dazu geklärt werden muss. Bei der euphemistischen Forschung bedient sich der forschende z.B. kurzerhand aus dem Wappenbuch der Burgergemeinde Bern, oder einem anderen bestehenden Wappenbuch, mit samt den Personalien und verwendet diese für ländliche Familien. Eine gleiche Gefahr besteht bei den biographischen Artikeln des Historischen Lexikons der Schweiz oder deren Vorgängeredition dem Biographischen- historischen Lexikon der Schweiz. Oft werden einfach Personen mit herausragenden Leistungen eines Geschlechts heraus gepflückt ohne irgendwelche familiäre Zusammenhänge zu berücksichtigen. Mir sind eine Anzahl Familien bekannt denen ausländische, gar adelige oder ritterliche Herkunft angedichtet wird. Die einen waren Ritter aus dem Elsass, andere gar Raubritter und wieder andere waren Generäle bei Wallenstein. Andere konstruieren auf Grund der Ähnlichkeit zwischen dem Vornamen eines germanischen Kriegshelden und dem eignen Familiennamen, eine Verbindung und sehen sich als dessen Nachkomme. Die Phantasie ist grenzenlos. Einschlägige Kreise drucken diese historisch wertlosen Phantasien noch in Buchform ab und erheben darauf das Urheberrecht.

B) Ähnlich verhält sich der symbolische Inhalt eines Wappenmotives. Jeder der ein Wappen besitzt und führt, möchte den Sinn, Unsinn und Bedeutung seines Wappens wissen. Beinhaltet das Wappen Symbole die sich auf Berufe beziehen oder handelt es sich um ein redendes Wappen ist die Aufgabe schnell einmal gelöst. Da aber hat sich infolge des kommerziellen Bedürfnisses eine eigene systematische Symbolik herausgebildet, welche jede Figur als Verkörperung einer dem betreffenden Geschlecht in besonderem Masse eignende Tugend oder bestimmten geschichtlichen Tatsache auslegt. Natürlich sind solche Auslegungen unhaltbar, denn sie beruhen nicht auf historisch einwandfrei nachgewiesenen Hintergründen. Natürlich können Zeichen auf indogermanischen Runen beruhen. Aber daraus wiederum einen Bezug zu diesen Völkern herzustellen hinsichtlich der direkten Abstammung einer ganz bestimmten Person, ist ein heraldisch- genealogischer Kurzschluss. Der rein kommerzielle und geschäftliche Wappenbetrieb richtet Schaden an und verbreitet in weiten Kreisen irrhafte Informationen über die Vergangenheit. Nun muss an dieser Stelle auch endlich einmal darauf hingewiesen werden, dass sämtliche genealogischen Daten, die uns die Historiker liefern überprüft werden müssen. Denn auch in diesen Kreisen kommt es häufig vor „erare humanum este“.

C) Über die Definition des Begriffs Kunst kann man durchaus diskutieren. Für mich beginnt Kunst dort wo mit Ordnungsprinzipien, Gesetzmäßigkeiten von Proportionen, Bewegungen und Gegenbewegungen, Qualitäten, Stofflichkeit der verschiedensten Materialien und Quantitätiten auf höchstem Niveau bewusst gearbeitet wird. Sauberkeit und handwerklich einwandfreies Geschick sind ebenfalls maßgebendes Bestandteil. Kunst hat aber auch etwas mit Schönheit und Ästhetik gemein. Kunst hat aber auch etwas mit der Fähigkeit des Weglassens oder Zufügen zu tun: Während der Barock dazu geneigt war allem und jedem noch irgendwie etwas beizufügen, jedem Schnörkel noch eine Verzierung anzuhängen und die Dekoration zu dekorieren, neigen wir in unserer Gegenwart dazu alles auf ein absolutes Minimum zu abstrahieren. Kunst kann so weit gehen, dass Gegenstände so weit reduziert werden, dass sie nur noch an ihren Komturen erkennbar sind. Ob das eine Möglichkeit ist, die Wappentradition so weiter zu entwickeln, dass sie schließlich wieder in unsere Plastikwelt passt und zu unseren Chromstahl- und Glaseinrichtungen kompatibel ist, möchte ich offen lassen.
Jede Stilepoche hat ihre Merkmale und Eigenheiten. Kunst ist daher auch immer eine Sache des persönlichen Geschmacks. Ob über Geschmack und Schönheit gestritten werden soll, will ich daher einfach stehen lassen. Denn dies hängt auch immer wieder
von der persönlichen intellektuellen Intelligenz und von der emotionalen Empfindung eines Wappenbestellers ab.

Für mich sind der Wappeninhalt und dessen Farbgebung nur sekundär von Bedeutung. Ich versuche auch nicht irgendwelche Hinweise zur Familiengeschichte aus den Wappen zu lesen. Primär interessiert mich welche Person das entsprechende Wappen geführt hat. Seine soziale Integration in die Gesellschaft seines Umfeldes ist mir wichtig und zeigen vielleicht auch auf warum diese Person überhaupt ein Wappen führte. Ich erfreue mich an den Farben und Formen und an der ganzen Spielerei. Für mich sind es greifbare Souvenirs einer vergangenen Zeit. Lassen wir uns also von den alten Schliffscheiben nicht blenden, sondern erfreuen uns an dem funkelnden Lichtspiel welches uns diese Kleinode vergangener Zeiten täglich jung und in neuer Frische entgegen bringen.
Anhang

Handschriften

Akten des Sanitätswesens BXI/130. StAB
Der Landarzt Dambach von Ursenbach wird der Kurpfuscherei angeklagt und inhaftiert. Gerichtsässe aus den umliegenden Gerichten reichten der Obrigkeit im Jahre 1765 ein Gnadengesuchgesuch ein. Der Sohn des Friedrich Leuenberger- Wälchli, Friedrich Leuenberger-Schneeberger sigelte darin als Gerichtsäss von Madiswil.

Friedrich Leuenberger-Wälchli erwirbt 1729 von Venner Johannes Fankhauser von Burgdorf das Nachbarschaftliche Bauerngut aus der Konkursmasse des Abraham Leu und siegelt damit im Kaufvertrag. Das Dokument befindet sich in Privatbesitz



Literatur

Christen, Hansrudolf; Emmentaler Geschlechter und Wappenbuch, Bern/Münsingen 1989

Lerch, Christian; Das Wappen auf dem Lande, Teil I, Bernerzeitschrift für Geschichte und Heimatkunde, Heft 2, 1939

Lerch, Christian; Das Wappen auf dem Lande, Schluss, Bernerzeitschrift für Geschichte und Heimatkunde, Heft 4, 1939

Holenweg, Otto; Die Kirchenfenster von Ursenbach JBO 1983

Holenweg, Otto Das Gericht Ursenbach im Altbernischen Staate, JBO 1974

Hofstetter,Walter; Leimiswilchronik, Leimiswil 1996

Rutsch, R.F. Bernische Schliffscheiben, Berner Heimatblätter Nr. 32, Verlag Paul Haupt, Bern



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